Gemeinsam Ränder verändert!

Im Rahmen des Wald/4-Festivals organisierte die landuni zusammen mit Studierenden der TU Wien drei Interventionen. „Wir verrändern uns“ lautete das Motto, bei denen „Randorte der Region“ bespielt wurden. In drei interdisziplinären Gruppen aus Architektur- und Raumplanungsstudierenden wurden Aktionen geplant und durchgeführt.

Die erste Intervention lautete auf den Namen „Grenzrand zuschütten“. Obwohl die Grenze zu unseren tschechischen Nachbar:innen kaum noch sichtbar ist, hat die Geschichte in der Grenzregion zu unterschiedlichsten Gräben geführt. Durch den Austausch von Geschichten und dem performativen „Zuschütten“ der physischen Barriere entstand auf verschiedenen Ebenen ein (neuer) Dialog. Hier war doch einmal eine Brücke?

Diese Frage stellten sich die Studierenden als sie das Grenzgebiet der Tschechisch-Österreichischen-Grenze zwischen den Orten Vratěnín (CZ) und Luden (AT) das erste Mal besuchten. Die beiden Orte sind durch einen Bach getrennt. Es kam schnell die Neugier auf, warum diese Brücke nicht mehr existiert und was die Bewohner:innen aus den beiden Ortschaften spannendes darüber zu berichten haben.

Nicht lange dauerte es, ehe aus dieser Frage heraus die Event-Idee: „Grenzrand zuschütten“ entstand. Diese wurde letztendlich in Form einer Grenzwanderung mit verschiedenen Programmpunkten zwischen den beiden Ortschaften von Studierenden der TU Wien gemeinsam mit der landuni und der TU Brünn realisiert.

Doch zunächst zurück zur Anfangsfrage: Die Brücke wurde nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht wieder aufgebaut. Einerseits, weil die Gräben zu tief waren, andererseits, weil die Bewohner:innen von Luden den Autoverkehr aus Vratěnín ablehnten. Nach einigen Gesprächen wurde jedoch schnell klar, dass es von beiden Seiten Interesse gibt, diese alte Verbindung wiederherzustellen. Vielleicht nicht als Autostraße, aber durchaus als Wander- und Fahrradweg.

Grenzen aufbrechen
Grenzen existieren überall, meist diffus und manchmal hart wie ein Strich. Die Bedeutung von Staatsgrenzen ist stark von der jeweiligen Zeitepoche und dessen Umständen abhängig. Im 19. Jahrhundert verlief zwischen den beiden Orten keine Staatgrenze. Das Waldviertel und Mähren waren Teil des österreichischen Kaiserreichs. Im 20. Jahrhundert entstand mit dem Eisernen Vorhang eine unüberwindbare Grenze, die sich erst nach der Wende 1989 aufweichte. Seit dem EU-Beitritt Tschechiens und Österreichs kann die Grenze von allen Bürger:innen passiert werden. Obwohl es diese Bewegungsfreiheit gibt, liegen zwischen manchen Orten noch unüberwindbare (physische) Barrieren wie ein Bach zwischen Luden und Vratěnín. Deshalb war es das Anliegen der Intervention, mit einem symbolischen Brückenschlag und der Grenzwanderung aufeinander zuzugehen und gemeinsam Themen anzusprechen.

Der Startschuss für die Wanderung war am 26.05.2023 um 14 Uhr am Feuerwehrhaus in Luden. Nach einer Begrüßung ging die bunt gemischte Gruppe, bestehend aus Einwohner:innen, ehemaligen und aktuellen Bürgermeistern, Studierenden und interessierten Besucher:innen los zum ersten Programmpunkt: „ÜberBrücken“. Gemeinsam wurde in Form einer Performance die „Brücke“ aufgebaut und der Graben anschließend erfolgreich überwunden. Ein paar Schritte weiter Richtung Vratěnín berichtete Historiker Erich Kerschbaumer über den „Quadenring“ und dessen damalige Bedeutung für die Grenze: eine ehemalige mittelalterliche Turmhügelburg. Im Anschluss wurde einer der vielen im Grenzgebiet befindlichen Bunker besucht. Rund zwei Stunden später, angekommen in Vratěnín, lud der Bürgermeister Herr Kincl in das Gemeindehaus zur gemeinsamen Pause ein.

„Grenzen sind meist diffus“
Anschließend gab es eine Führung durch die Kirche und den Innenhof des ehemaligen Augustiner-Klosters, welchen eine Vielzahl der Personen zuvor noch nie besucht hatten. Ehe die Wanderung bei einer gemeinsamen Grenz-Jause ausklang, ging die Gruppe zum Abschluss durch den „Hintaus-Weg“ des Ortes und lauschte währenddessen zu tschechisch-österreichischen Geschichten, die von ehemaligen Zeitzeug:innen dokumentiert und von Studierenden vorgetragen wurden.

Ja, hier gab es mal eine Brücke! Während der Intervention des „Brückenschlags“ und der anschließenden Wanderung wurde ausdrücklich klar: Beide Seiten würden gerne wieder eine Brücke haben und die Grenze endgültig zuschütten! Die „Brücke“ in Form der roten Palette soll an diese Übereinkunft erinnern und ein Anstoß zum Handeln sein.

Eine Brücke entsteht
Knapp ein Jahr später war es dann so weit. Bürgermeister Martin Kincl aus Vratenin hielt sein Wort und ließ im Sommer 2024 eine Holzbrücke an der gleichen Stelle errichten, wo zuvor die Intervention stattfand. Am 6. Juli wurde diese bei einem kleinen Festakt feierlich eröffnet. Die Bürgermeister aus Raabs an der Thaya und Vratenin betonten, dass diese Brücke ein symbolisches Zeichen für den zukünftigen Ausbau der grenzüberschreitenden Freundschaft sei.

Von Arne Meier und Benjamin Altrichter

Copyright Fotos:
Fotos 1-3: (c) Benjamin Altrichter
Fotos 4-6: (c) Karel Havlis

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